// Antonia Steger  // 21. Juli 2012

Plastik und Postmoderne

Zwei Ausstellungen in Zürich machen Lust, wieder einmal ins Museum zu gehen. Anbetung von verstaubten Objekten ist dabei Vergangenheit.

Quelle: www.plasticgarbageproject.org
Die Ausstellung "Endstation Meer? Das Plastikmüll-Projekt" im Museum für Gestaltung will ein breites Publikum erreichen. Nach seinem gratis Eintritt steht der Besucher als erstes vor einem Berg Plastikmüll aus Hawaii (klimaneutral transportiert - mit Velo?). Diese Begrüssung ist effektvoll, didaktisch, aber ohne durch erhobenen Zeigefinger zu erschlagen. Der Plastikberg weist nämlich eine eigene Ästhetik auf, salzige Meeresspuren, und erinnert an alte Strandferien. 

Die simpel designte Ausstellung lässt tief blicken. Im Pazifik drehen Plastikmüllstrudel von kontinentalem Ausmass, mikroskopische Plastikteilchen verwandeln die Meere in Abfallsuppen, worunter sowohl Tiere, aber auch zuletzt wieder wir Menschen leiden. Die Vermittlung vermeidet aber tunlichst alles Lehrerhafte. Die Fakten sind mit künstlerischen Mitteln dargestellt, seien das alte Zahnbürsten, Fotostrecken von toten Vögeln oder eine knallbunte Comicsatire.

Doch nicht nur belehren will die Ausstellung, sie tritt mit ihren Besuchern ins Gespräch. Es werden Lösungsvorschläge diskutiert und das Begleitprogramm von der Designwerkstatt für Kinder bis zu Gesprächen mit diversen Experten beeindruckt.

Zu sehen ist hier nicht zuletzt ein modernes Ausstellungskonzept, das überzeugt. Weg von einer blinden Objektverehrung werden die Alltagsgegenstände in verständliche Informationen eingebunden. Der Besucher soll nicht unbeteiligt durch Staubwüsten des Altertums wandeln, sondern sich angesprochen fühlen und möglicherweise sogar einen kleinen Anreiz erhalten, sein eigenes Verhalten zu hinterfragen. Hinauslaufen und denken, "Mensch, da geht mich doch etwas an."


Quelle: www.landesmuseum.ch
Ebenso einen nicht allzu historischen Bezug verfolgt die Ausstellung "Postmodernism. Style and Subversion 1970–1990". Die Musik von Michael Jackson, Prince und den üblichen Verdächtigen springt dem Besucher schon beim Eintreten mitten durchs emotionale Gedächtnis und befördert die ganze Stimmung gleich in diese seltsame Epoche: die Postmoderne.

Was ist das? Sinnéad O'Connors "Nothing compares" zu seltsamen Architekturauswüchsen? Knallbunte, nicht umsetzbare Design-Prototypen neben dem "Lauf der Dinge" von Fischli/Weiss? (Letzteres übrigens immer wieder faszinierend anzuschauen!) Pop, Show, Glitzer und zum Schluss eine 2000 Jahre alte, sauwertvolle Vase, von Ai Wei Wei mit dem Schriftzug von Coca Cola bemalt?

Ja, auch nach dem Besuch der Ausstellung rätselt der Besucher weiter, was diese Epoche eigentlich kennzeichnet. Diese Epoche, die für die heute Jungen schon etwas Ältliches verströmt, ja bereits brühwarm erinnerte Geschichte darstellt. Die also vorbei ist und in ihrer absoluten Verrücktheit doch nicht benennbar wird. Damit scheinen schliesslich selbst die Experten so ihre Mühe zu haben:



Vielleicht war die Postmoderne eher ein Lebensgefühl denn ein stringentes Programm. Die Vielzahl an Dingen nebeneinander, das Zitieren und hämische Spiel mit dem Ernst der Moderne? Dann: ein Hologramm von Boy George. Grünlich-lebendig hängt er im Museum, schaut mit ausdruckslosen Augen in deine Richtung und doch - durch dich hindurch. Die Gleichgültigkeit im Chaos. Das Selbstverständnis dessen Beherrschung.

Sie sind spannend, die jüngsten Vergangenheiten: in lebendiger Erinnerung, jedoch mit Minimalabstand für eine breite Betrachtung. Lustig wird sein, wie man unsere Epoche einst in Museen ausstellen wird. Ebenso, welcher Name für sie gefunden werden wird.

***

"Endstation Meer?": Museum für Gestaltung, Di-So 10-17, Mi 10-20; Eintritt GRATIS
Noch bis 23. 9. 2012
"Postmodernism": Landesmuseum Zürich, Di-So 10-17, Do 10-19; Eintritt 10.- / ermässigt 8.-
SPEZIAL: bis 3. 8. 2012 jeweils Do und Fr bis 21 Uhr geöffnet (da kamen wir gratis rein)
Noch bis 28. 10. 2012

2 Kommentare:

Mila hat gesagt…

Oh ja, Boy George & Ai WeiWei waren definitiv 2 Highlights!

Anonym hat gesagt…

Hey, das tönt echt interessant und danke für den Link! :-) Veronika

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