// Antonia Steger  // 12. Juni 2012

Das Universum von King Charles

Das liebestechnisch nicht einzuordnende Musikerprodukt King Charles zeigt einmal mehr, dass gute Selbstdarsteller die besten Musiker sind.

Meine Begeisterung beginnt bei Love Lust, einem der einfach-schönsten Liedern des Jahres 2010, das in die Ohren einfährt und sich gleich im Hirn festkrallt. Das Video dazu etwas bieder, ein wuschelig bärtiger King Charles zelebriert die unerreichbare Liebe, etwas gstabig, etwas ungelenk.


Doch welche Überraschung das Konzert am 26. Mai 2012 in Zürich. King Charles hat die winzige Bühne des eldorado zum Explodieren gebracht. Die Hosen klebten danach noch lange, ich schwör…

King Charles ist effizient

King Charles wiederholt sich gerne. Auf seinem Album „LoveBlood“ finden sich die Songs LoveBlood, Love Lust und Wilde Love. Prominentes Thema ist, wer errät’s?, die unerwiderte Liebe (Mississippi Isabel, Lady Percy, Ivory Road, Bam Bam etc.). Er singt zudem liederübergreifend immer wieder von der mysteriösen Mississippi Isabel, von Blut, Elfenbein und Tieren. Aber auch visuell hat er sich selbst gecovered: 

Er mag Stäbe, ...
Quelle: YouTube, aus Mississippi Isabel
Quelle: YouTube, aus Lady Percy

 ...Doppelküsse am Ende seiner Videoclips...
Quelle: YouTube, aus Bam Bam
Quelle: YouTube, aus Mississippi Isabel

...und Recycling von Outfits sowie kühlen Frauen.
Quelle: YouTube, aus Bam Bam
Quelle: YouTube, aus Mississippi Isabel

King Charles ist sexy

In seinem verkleideten Königtum, gepflegten Moustache und noblen Zähnefletschen versteckt sich eine so sympathische Arroganz eines Sonderlings, dass ich meine Begleitung am Konzert beschämt, aber mit glühenden Wangen frage: „Du gäll, dä isch eh schwul? Aso nöd bös gmeint ez… Du weisch scho…“ Worauf dieser: „Ich glaub nöd, dass dä sexuell irgendwie izordne isch…“ Danke nochmals für die Aufklärung.
Das Thema der unerreichbaren Liebe scheint jedenfalls primär ein Marketingkniff zu sein, denn schnell wird klar: King Charles will diese Frauen, über die er singt und die ihn vor der Bühne ankreischen, nicht angrabbeln. Keiner der gefilmten Beinahe-Küsse berührt sich, keine der unerreichbaren Frauen sind mehr als schnutenziehende Puppen. Das weibliche Publikum hat in Zürich dafür umso mehr getobt. Der eigentlich Unerreichbare ist King Charles selbst.

Quelle: YouTube, aus Mississippi Isabel
Quelle: YouTube, aus LoveBlood
Quelle: YouTube, aus Bam Bam
Quelle: YouTube, aus Mississippi Isabel

King Charles meint es ernst

Quelle: YouTube
Er spielt noch tatsächlich Instrumente und macht damit vielseitige, grossartige Musik. Unzählige Gitarren in der Entourage, ein überfüllter Marketing-Stand, Fotoschablonen für die schweissgesichtigen Fans, Moustaches zum Kaufen. Er legt los, und wie! Kein Gstabi, kein Minnesänger, sondern der herrlichste Selbstdarsteller. Bei einer solchen Energie kann er sich noch ewig wiederholen, bei jedem Konzert wieder die effektvollen Trommeln auspacken, das Schlagzeug bespringen, mit dem mittlerweile fast langweiligen „Love Lust“ die Menge anheizen und auf dem Höhepunkt des Konzerts seine berüchtigten Haare aufschütteln, immer wieder, ich werde nicht müde...

King Charles, Meister der Ironie

Doch trotz allem Produktdesign, irgendwodurch begrinst King Charles seine Show und die Begeisterung darüber selbst. So hat er mit der Wahl seines Namens die meisten Google-Einträge an den gleichnamigen Schosshund abgetreten und die Videoclips strotzen bisher nur so von Ironie. Das Universum von King Charles hat jedenfalls in seiner Effizienz und Komplexität Erfolg, sogar das eher tanznüchterne Zürcher Publikum geriet fast ein bisschen ausser Rand und Band. Man kann gespannt sein.


0 Kommentare:

Kommentar veröffentlichen