Das liebestechnisch nicht einzuordnende Musikerprodukt King
Charles zeigt einmal mehr, dass gute Selbstdarsteller die besten Musiker sind.
Meine Begeisterung beginnt bei Love Lust, einem der
einfach-schönsten Liedern des Jahres 2010, das in die Ohren einfährt und sich
gleich im Hirn festkrallt. Das Video dazu etwas bieder, ein wuschelig bärtiger
King Charles zelebriert die unerreichbare Liebe, etwas gstabig, etwas ungelenk.
Doch welche Überraschung das Konzert am 26. Mai 2012 in Zürich.
King Charles hat die winzige Bühne des eldorado zum Explodieren gebracht. Die Hosen klebten danach
noch lange, ich schwör…
King Charles ist effizient
King Charles wiederholt sich gerne. Auf seinem Album „LoveBlood“ finden sich die Songs LoveBlood, Love Lust und Wilde Love. Prominentes Thema ist, wer errät’s?,
die unerwiderte Liebe (Mississippi Isabel, Lady Percy, Ivory Road, Bam Bam etc.). Er singt zudem liederübergreifend immer wieder von der
mysteriösen Mississippi Isabel, von Blut, Elfenbein und Tieren. Aber auch
visuell hat er sich selbst gecovered:
In seinem verkleideten
Königtum, gepflegten Moustache und noblen Zähnefletschen versteckt sich eine so sympathische Arroganz eines Sonderlings,
dass ich meine Begleitung am Konzert beschämt, aber mit glühenden Wangen frage: „Du gäll, dä isch eh schwul? Aso
nöd bös gmeint ez… Du weisch scho…“ Worauf dieser: „Ich glaub nöd, dass dä
sexuell irgendwie izordne isch…“ Danke nochmals für die Aufklärung.
Das
Thema der unerreichbaren Liebe scheint jedenfalls primär ein
Marketingkniff zu sein, denn schnell wird klar: King Charles will diese
Frauen,
über die er singt und die ihn vor der Bühne ankreischen, nicht
angrabbeln.
Keiner der gefilmten Beinahe-Küsse berührt sich, keine der
unerreichbaren
Frauen sind mehr als schnutenziehende Puppen. Das weibliche Publikum hat
in Zürich dafür umso mehr getobt. Der eigentlich Unerreichbare ist King
Charles selbst.
Er spielt noch tatsächlich
Instrumente und macht damit vielseitige, grossartige Musik. Unzählige Gitarren
in der Entourage, ein überfüllter Marketing-Stand, Fotoschablonen für
die
schweissgesichtigen Fans, Moustaches zum Kaufen. Er legt los, und wie!
Kein
Gstabi, kein Minnesänger, sondern der herrlichste Selbstdarsteller. Bei
einer
solchen Energie kann er sich noch ewig wiederholen, bei jedem Konzert
wieder die effektvollen Trommeln auspacken, das Schlagzeug bespringen,
mit dem mittlerweile fast langweiligen „Love Lust“ die Menge anheizen
und auf dem Höhepunkt des Konzerts seine berüchtigten Haare
aufschütteln, immer wieder, ich werde nicht müde...
King Charles, Meister der Ironie
Doch
trotz allem Produktdesign, irgendwodurch begrinst King Charles seine
Show und die Begeisterung darüber selbst. So hat er mit der Wahl seines
Namens die meisten Google-Einträge an den gleichnamigen Schosshund abgetreten
und die Videoclips strotzen bisher nur so von Ironie. Das Universum von
King Charles hat jedenfalls in seiner Effizienz und Komplexität Erfolg,
sogar das eher tanznüchterne Zürcher Publikum geriet fast ein bisschen
ausser Rand und Band. Man kann gespannt sein.
0 Kommentare:
Kommentar veröffentlichen