// Antonia Steger  // 25. November 2012 0 Kommentare

Animal Collective

Radikale Musik - und erst noch erfolgreich

Die Bühne des X-TRA ist mit einem zahnbesetzten Mund geschmückt, ein Schlund quetscht sich bunt bis nach hinten. Es wird kaum klar, ob der Mund die Bühne oder die Bühne den Mund verschluckt. Animal Collective ist sich eindeutig auch grössere Bühnen und dichter gefülltere Säle gewöhnt. Das Faszinierende ist bloss: Warum?

Animal Collective @ X-TRA Zurich
Animal Collective @ X-TRA Zürich
Animal Collective wirkt erst mal anstrengend: Strobolicht und psychedelische Visuals fordern das Publikum genüsslich heraus, bevor das Konzert überhaupt beginnt. Und dann treten sie auf. Ihre Musik reisst ab dem ersten Ton fast jede Grenze nieder, die man so kennt.

Ein fulminanter Genre-Mix, der praktisch nicht zu beschreiben ist: psychedelische Folk-Pop-Avantgarde mit Punkeinfluss und sakralen Elementen, kombiniert mit experimental Electro und abstraktem Techno. Trotzdem und gerade deswegen hat Animal Collective damit einschlagenden Erfolg.

Die Bühnenshow der Bandmitglieder ist minimalistisch. Glück hat, wer im Konzert direkt vor Avey Tare steht, der ohne die kleinste Affektiertheit eine aggressiv-coole Energie verschleudert und mit seinen gelben Wollsocken unter schwarzem Overall komisch tiefgründig wirkt. Die Musiker verausgaben sich in reinster Konzentration - und die ist auch nötig.

Animal Collective spielt radikale Musik. Dies merkt derjenige, der tanzen will: Rhythmus ist zwar da, aber was für einer! Ein in viele Stimmen aufbrechender, sich verschiebender, Haken schlagender, übereinander gelagerter Beatteppich, der eher abstrakte Gebilde in die Halle zaubert als Feuer in die Beine schleudert. 
Doch man möchte wirklich, man möchte so gerne tanzen! Man muss dieser Musik neue Bewegungen erfinden und vielleicht klappt dies am hemmungslosesten zu Hause im eigenen Zimmer. Denn einmal darauf eingelassen, ist es schwierig, sich diesem Sog zu entziehen.


Die Musik von Animal Collective ist ein wunderbares Weihnachtsgeschenk: Durch und durch gute Musik und gleichzeitig ein Kompliment an den Beschenkten. Denn bewundernswert ist derjenige, der sich darauf einlassen kann.
Für Neueinsteiger sei "Merriweather Post Pavilion" empfohlen, welche als die zugänglichste ihrer Platten gelten darf. Für ältere Fans natürlich die neue Platte "Centipede Hz", mit welcher die Grenzerfahrungen deutlich gesteigert weiter gehen.  

Zu kaufen beim CD-Händler Deines Vertrauens.  
Online bereits ab 13.90 CHF.
// Antonia Steger  // 11. November 2012 0 Kommentare

"J. C. Acquefacques", Marc-Antoine Mathieu

Comicserie, 1990-2005. 

Einige Geschenke haben es wirklich verdient, verschenkt zu werden. 

Der Morgen - im Zimmer so gross wie ein Kleiderschrank - beginnt jeweils mit einem absurden Traum. Raum, Zeit, Logik werden auf den Kopf gestellt, Julius Corentin Acquefacques fällt aus jedem gewohnten Rahmen und dann vor lauter Schreck aus dem Bett. Doch nie kann er sich sicher sein:

Ist er nun wirklich wach oder träumt er weiter?
In welch abstruser Welt wird er heute wieder landen?

An einem Tag bekommt der brillenbesetzte Beamte Umschläge zugeschickt, aus denen sein eigenes gezeichnetes Leben herausflattert. Ein ander Mal verliert er aus Versehen den Fluchtpunkt und bringt damit die Welt um ihre dritte Dimension. Oder er muss dem Mysterium auf den Grund gehen, warum eines Morgens plötzlich ein Doppelgänger im selben Zimmer aufwacht...

Doch die Comicreihe regt nicht nur schwindelige Gedanken über den Raum und die Zeit an. Wie nebenbei erzeugt sie auch die genialsten Bilder von Wohnungsknappheit. Die Figuren sind solch rasender Enge ausgesetzt, dass Alltag nur noch mit viel Zynismus und Phantasie funktioniert. Vielleicht ist J. C. Acquefacques (rückwärts ausgesprochen: "Kafka"!) eigentlich nicht nur "Gefangener der Träume", sondern auch etwas Flüchtling aus der eigenen, engen Zeit.

Der Zeichner Marc-Antoine Mathieu hat eine Welt erschaffen, die er mit jedem Band neu ins Wanken bringt. Mit unglaublichem Witz fordert er das Medium Comic heraus, bastelt und durchlöchert seine Seiten, lässt seine Figuren virtuos in allen Realitätsebenen aus- und eintreten und zwingt dem Leser auch schon mal eine 3D-Brille auf. Ein unfassbar intelligenter Spass.
Quelle: reprodukt.com
Quelle: reprodukt.com

Gekauft im Comics-Shop Zürich, www.comics-shop.ch
Beim Verlag Reprodukt erschienen: 
Der Ursprung (ca. 15.- CHF)
Die Vier F... (ca. 15.- CHF)
Der Wirbel (22.- CHF)
Die 2.333. Dimension (22.- CHF) 
Bei Entscheidungsschwierigkeiten: Der erste Band, "Der Ursprung", ist empfehlenswert für den Anfang